Die italienische Regierung hat ihr Scheitern beim Kampf gegen die illegale Migration im zurückliegenden Jahr eingestanden. Innenminister Matteo Piantedosi räumte in einem an Silvester veröffentlichten Gespräch mit der Zeitung „La Stampa“ ein, dass die Zahl der Ankünfte im Jahr 2023 „sicherlich nicht dem Ziel der politischen Maßnahmen entsprochen hat, welche die Regierung in verschiedenen Richtungen eingeleitet hat, um den Menschenhandel zu bekämpfen und zu besiegen“.
Nach Angaben des Innenministeriums in Rom wurden bis zum 29. Dezember 155.754 Ankünfte von Migranten in Italien registriert, die meisten auf dem Seeweg über das zentrale Mittelmeer. Im Vorjahreszeitraum waren es 103.846 und 2021 67.040 gewesen.
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Die meisten Ankünfte wurden wie üblich in den Sommermonaten registriert, wenn über dem zentralen Mittelmeer stabiles Hochdruckwetter bei relativ ruhiger See herrscht. Im Juli 2023 kamen 23.482 Personen in Italien an, im August wurde der monatliche Höchstwert von 25.673 Ankünften verzeichnet. Bei den Herkunftsländern der Migranten lag Guinea an der Spitze, es folgten Tunesien, die Elfenbeinküste, Bangladesch und Ägypten. Die Zahl der unbegleiteten Minderjährigen unter den Migranten stieg von 14.044 im Jahr 2022 auf 17.283 im vergangenen Jahr. Die meisten Migrantenboote erreichten im Vorjahr von Tunesien aus die Insel Lampedusa, den südlichsten Außenposten Italiens im Mittelmeer. 2022 war noch Libyen das wichtigste Transitland für Migranten aus Ländern südlich der Sahara und aus Asien gewesen.
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Rettung kurz vor Jahresende
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Auch an den letzten Tagen des Jahres 2023 kamen wieder mehrere Boote mit Migranten auf Lampedusa an. Zudem berichtete die deutsche Hilfsorganisation Sea-Eye, am Samstag seien 106 gerettete Bootsmigranten in der süditalienischen Stadt Brindisi von Bord des Rettungsschiffs Sea-Eye 4 an Land gegangen. Nach Angaben der Regensburger Hilfsorganisation wurden die Menschen am Dienstag in internationalen Gewässern südlich von Lampedusa aus zwei seeuntauglichen Booten aufgenommen. Unter den Migranten befanden sich 45 Minderjährige, einige von ihnen ohne Begleitung, teilte Sea-Eye mit.
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Ungeachtet des Anstiegs bei den Migrantenankünften um etwa 50 Prozent gegenüber dem Vorjahr hob Piantedosi Erfolge der seit Oktober 2022 amtierenden Mitte-rechts-Koalition unter Führung von Ministerpräsidentin Giorgia Meloni im Kampf gegen die illegale Einwanderung hervor. Dank der Abkommen mit den Regierungen Tunesiens und Libyens hätten im vergangenen Jahr 121.883 Menschen auf ihrem Weg über das zentrale Mittelmeer nach Europa aufgehalten werden können, sagte der parteilose Innenminister. Zudem seien Hunderte Schlepper verhaftet worden. Wie die Zahl der vorgeblich von den tunesischen und libyschen Behörden zu Lande und zu Wasser aufgehaltenen Migranten so exakt hat ermittelt werden können, sagte der Minister nicht.
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In der gesamten EU wird die Zahl der Asylbewerber im Jahr 2023 nach Angaben der EU-Asylagentur „deutlich über einer Million“ liegen, wie die Leiterin der Behörde mit Sitz auf Malta, die Slowenin Nina Gregori, zum Jahreswechsel prognostizierte. Im Oktober sei mit rund 123.000 Anträgen der höchste Monatswert seit sieben Jahren registriert worden. Mit einem deutlichen Rückgang der Asylbewerberzahlen rechnet Gregori in den nächsten Jahren nicht.
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Bis Ende Oktober wurden der Behörde zufolge in der EU 937.000 Anträge registriert, ein Plus von 22 Prozent im Vergleich zum gleichen Zeitraum des Vorjahres. Die genaue Gesamtzahl für 2023 wird erst nächstes Jahr vorliegen. In Deutschland wurden nach Angaben des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge bis Ende November knapp 326.000 Asylanträge gestellt, ein Plus von 52 Prozent im Vergleich zu den ersten elf Monaten des Vorjahres. Deutschland bleibe wichtigstes Zielland für Asylsuchende in der EU, so die EU-Asylagentur. Es folgen Frankreich und Italien.
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In der Kampagne zu den vorgezogenen Parlamentswahlen vom September 2022 hatte Meloni, Parteichefin der rechtskonservativen Brüder Italiens, eine deutliche Reduzierung der illegalen Migration nach Italien versprochen, sollten sie und ihre Partei die Wahlen gewinnen und die künftige Regierung stellen. Die linken Oppositionsparteien werfen der Regierung Meloni vor, diese sei mit ihrer Migrationspolitik gescheitert.